Elias
Meine erste Hausgeburt
Ja, ein Kind. Ja, Überraschung. Ja, Hausgeburt. Alles Andere kommt des rechten Weges, rechter Zeit.
So hat es angefangen. So machte sich mein drittes Baby auf den Weg in die Welt.
Wir wussten längere Zeit nichts von ihm, dafür hatten wir sofort genaue Vorstellungen dazu, wie der Übergang von meinem Bauch in unsere Welt geschehen soll. Eine Lotusgeburt für das Baby mit Plazenta in seiner Nähe, bis es sie selbst abstößt. Ein Gebären im eigenen Rhythmus und Tun, selbstbestimmt, ohne Ansagen und Weismachen, daheim, außerhalb von Zeit und Maßstäben der Welt für die Mama. Ein Eingebundensein für den Papa. Und mit einer Hebamme, die in diesen Momenten da ist, wo Halt notwendig ist.
Wir, erfahrene Eltern, schaffen das schon. „Wenn´s nicht anders geht, auch allein“, meinte ich nach einer enttäuschenden Begegnung, von der ich mir nach langem Suchen endlich den gegenseitigen Zuspruch erwartet hatte.
Das Baby im Bauch wuchs, die ersten Einstellungskollisionen mit der Schulmedizin zu Ansagen wie plötzliche Schilddrüsenunterfunktion als Gefährdung für das Baby, mein Unwohlsein, die Schwindelgefühle, Abgeschlagenheit kamen – wie war das damals, bei den Großen??? Komplett anders, wie Schwangerschaften so zu sein pflegen. Und ich habe mich voll Übermut auf das Abenteuer abseits der Tabletten und Monitore eingelassen und gleichzeitig gemerkt, wie viel Standhaftigkeit und Selbstbewusstsein es braucht, diesen Weg zu gehen. Diese grauen Nebel, in denen ich nach Vertrauen rang, dass alles gut ist, konnte ich schließlich mit Hilfe meines geliebten Mannes und durch stärkende Gespräche mit FreundInnen überwinden. Doch meine Sehnsucht nach einer Hebamme, die für meine Bedenken, Fragen und Verunsicherungen da ist, wuchs mit dem wachsenden Bauch an.
Einen letzten Versuch wollte ich noch starten, eine zu finden, nach zwei Treffen, unzähligen Telefonaten und Mails, nachdem alle absagten – die einen im Urlaub, die anderen längst ausgebucht und ich, im vierten Monat schwanger. Ein Rundmail in die Welt verscholl scheinbar im All. Und stieß doch auf die richtige Tür.
Im sechsten Monat schwanger, knapp vor Mutterschutz, ein paar Stunden nach meinem Leidklagen, die Erhoffte käme wohl nie, klingelte das Handy – das beste Muttertagsgeschenk – Karin – fragt, ob ich denn noch immer auf der Suche nach einer Hebamme sei. Ja…Nein, jetzt nimmer – das war spätestens dann klar, als Karin unsere Wohnung betrat.
Eindeutig. Einig. Auf einer Welle. Ich, mein Mann, Karin, die Kinder. Eine Lotusgeburt, mit Plazenta beim Baby und sonst ohne alles. Nur Feinstoffliches und Pflanzliches darf in diesen Vorgang des Werdens miteinbezogen werden. Den Rat, zu was greifen, wenn mein Altbewährtes nicht greift, bezog ich von Karin. Oft, öfter, als ich zu brauchen dachte. Ich, die „erfahrene“ „Vorzeige“-Mutter, die scheinbar eh schon alles weiß und perfekte Werte aufweist, unterstützt von einem ebenso erfahrenem Mann – unsere Treffen verliefen in Plauderstimmung.
Bis es dann mal schwer wurde. Und da kam Karin zum Einsatz, und ich lobte meine weise Voraussicht, diese Frau werde gebraucht. Bauch groß, Senkwehen nervig, Kinder zehrend – wie arrangiere ich mich im Leben als wandelndes Raumschiff für noch nicht geborenes Lichtkugelwesen und überlebe als Frau, die ich bin, als Partnerin und Mutter von einem Neunjährigen und einer Siebenjährigen? Und was ist noch mal der gefühlte Unterschied zwischen den Senkwehen und den echten??? Mutter Natur ist gnädig: Sie ließ mich alles dem Vergessen überverantworten, und schickte mir dann, nachdem sich ihre zeugenden Kräfte wieder durchgesetzt hatten, erbarmungsvoll Karin zur Hilfe.
Das Baby ließ auf sich warten – drei mal in drei Wochen vor der Geburt wurden die Senkwehen so heftig, dass ich dachte, bald halte ich es in den Armen. Das Kind brachte es auf beinah zwei Wochen nach EGT und wie ich schließlich erfahren sollte, auf stolze 4,2 kg und 55 cm. Aber da greife ich vor.
Karin wurde ein häufig gesehener Gast in den letzten vier Wochen meiner Schwangerschaft. Sie war da, als ich nörgelte, als ich heulte, als ich Kräuter und Öle brauchte. Ihre Worte ließen mich wieder Erstrahlen nach Angstmachen mit Wehenschwäche und verdorbenem Fruchtwasser. Einleitung kam für mich nicht in Frage, außer den Sanftmitteln wie Akupunktur, Massage und Ölmischungen. Und Zuspruch. Sie teilte sich mit mir die Verantwortung und ich war selig.
Und dann an einem Vormittag kamen nach der Massage die Wehen – heftig, eine jagte die andere, bald platzte die Fruchtblase – danach waren die Großen innerhalb von kürzester Zeit da – ein eindeutiges Zeichen, die Geburt steht unmittelbar an. Karin verständigen, Pool einlassen, Kinderbetreuung organisieren, Wehen ausatmen. So heftig kannte ich es gar nicht und hoffte auf Karins baldige Erscheinung. Sie kam nur zwei Minuten nach ihrer Kollegin, die sie für uns organisierte, bis sie selbst da ist. Und ich konnte loslassen – meine Angst, meine Überforderung mit dem heftigen Ablauf. Karin sagte nicht viel (ich habe in unseren Gesprächen oft betont, dass ich keine Ansagen möchte), sie wischte meine Tränen mit ihrem T-Shirt ab, hielt mich an der Hand und meinte bei der nächsten Wehe, die mir fast den Atem raubte, ich soll einfach „schschschsch“ machen…vier Wehen später – mit aller Wucht, Heftigkeit, Schönheit, Ruhe und Leuchtkraft – glitt unser Sohn in die Hände seines Vaters hinein. Alles verschmolz zu einem Augenblick der Vollkommenheit und Verbundenheit.
Ich durfte mit dem Neugeborenen im Pool entspannen bis die Verkrampftheit nachließ, schmerzfrei und ungezwungen, bis ich mich stark genug fühlte, im Bett zu landen, um die Plazenta zu gebären. Der Kleine bekam zuerst mal die Brust und etwas Kräuteröl auf den Kopf. Ich lediglich Globuli zur Erholung. Sonst nichts. Nur das Kind, ich und mein Mann – aufgehoben im Glück und Beisein von zwei liebevollen Begleiterinnen. Gehüllt in Einfühlung, Verständnis und Liebe. Außerhalb von Zeit, Raum, dem Rummel der Welt, den vorangegangenen Vorstellungsbildern. Ankommen, Kennenlernen, Sein.
So „wenig“ während der „Turbo“-Geburt von Elias zu tun war, so viel war es nachher. Die Plazenta waschen, die inzwischen aufgetauchten Geschwister versorgen, aufräumen, Tee kochen, essen, das wunderwirkende Plazenta-Smoothie gegen die heftig einsetzenden Nachwehen anrühren … Und Anrufe … Bei Milcheinschuss (ebenso heftig wie die Geburt), bei Überforderung (Schlafmangel, Abgeschlagenheit), bei Verunsicherung (Mutter-Kind-Pass-Angelegenheiten, Babymassage usw.), bei Unruhe (Kind bekam keinen Schlaf, ich auch nicht) und viele weitere, die folgten. Karin war da. Stand Frage und Antwort. Mir zur Seite. In Liebe. Ich in tiefer Dankbarkeit.
Nachsatz:
Elias ist nach David und Ina mein drittes Kind. David kam in einer Geburtsklinik auf die Welt, den üblichen „Wöchnerinnen“- Aufenthalt eingeschlossen – eine unkomplizierte, normgerechte Erstgeburt. Als ich ihn das erste Mal in den Händen hielt, wurde mir im selben Atemzug klar, dass Kinder ein Geschenk sind, heilig, und nicht minder heilig ihr Weg in die Welt, und eben gar nichts davon normgerecht. Die Störfaktoren, die mit dem Rhythmus und Vorschriften des Spitalbetriebs verbunden sind, wollte ich bei der zweiten Geburt auslassen und brachte Ina „ambulant“ zur Welt. Auch ihre Geburt war ohne Komplikationen, abgesehen von den Diskussionen mit dem Personal, wie die Geburt zu verlaufen hat und was dabei notwendig ist (eben keine Normgeburt). Als ich von Elias erfuhr, stand also eindeutig Hausgeburt ins Haus.
Ich sprach mit vielen Bekannten, die eine Hausgeburt hatten (und es überraschte mich, wie viele diesen Weg wählten) und machte mir ein Bild darüber, wie es sein wird. Und es verlief ganz anders. Doch die Geburt war, wie auch die Schwangerschaft, nicht normgerecht und doch vollkommen komplikationsfrei, ich ganz ICH (etwas, was ich im Spital nur ganz schwer zulassen konnte), Karin die kompetente Expertin in Geburtsbegleitung – vorher, nachher, während dessen: Vaginal untersucht hat sie mich mit meiner Erlaubnis DREI Mal – zwanzig, zehn und zwei TAGE vor der Geburt. Ich bekam jederzeit genau das, was ICH mir wünschte. Z.B. Akkupunktur, Massagen, alle erdenklichen Mittel und Mittelchen, umfassende Informationen. Während der Geburt war ich nicht eine Sekunde gezwungen meine Bewegung oder Nichtbewegung oder meine Gefühlsäußerungen zu unterbrechen, damit jemand etwas nachschauen, kontrollieren, monitorieren, verabreichen oder einführen kann. Elias bekam nach der Geburt nichts, was ich mir nicht wünschte. Er wurde nicht gestreckt und nicht von unbekannten Händen, im grellen Licht gebadet, er wurde in unserem Bett gemessen und gewogen, als ich ihn aus den Armen geben wollte. Er wurde nicht gestochen, bekam keine schmerzenden Medikamente verabreicht. Er bekam auch keine Gelbsucht (im Gegensatz zu den zwei Großen), keine Infektionen und kam mitten in unseren Familienkreis an, nicht in den Kreissaal. Sein Bauchnabel heilte wunderbar, die Gesichtsrötung verschwand, ohne problematisiert zu werden, innerhalb von paar Tagen. Ich hatte kaum Blutungen, einen Miniriss, den ich nicht nähen lassen wollte und der am nächsten Tag schon kaum zu spüren war, konnte sanft mit meinen Körperübungen beginnen und schlafen und aufs Klo und in die Dusche, wann auch immer ich wollte. Und es war das Natürlichste der Welt.
Jetzt ist Elias schon über zwei Monate auf der Welt. Wir sind glücklich. Er hatte ein wunderbares Hineingleiten in diese Welt, ich ein wunderbares, lehrreiches Einlassen auf meine Bedürfnisse. Also noch einmal: Danke, Karin, danke Oliver, danke Elias.